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Vortrag "bei den Feinden"

Deutsch-amerikanisches Institut veranstaltete amerika-kritische Autorenlesung

 

 

TÜBINGEN (mf). Das amerikanische Rechtssystem der USA war Thema eines Vortrags, der am Dienstag-Abend im Saal der Volkshochschule Tübingen stattfand. Vor einem kleinen, aber interessierten Publikum las der Münchner Journalist und Autor Thomas Schuler aus seinem im vergangenen Jahr erschienenen Buch Immer im Recht – Wie Amerika sich und seine Ideale verrät. Veranstalter des Abends war die Volkshochschule in Zusammenarbeit mit dem Deutsch-Amerikanischen Institut Tübingen (d.a.i.).

Schuler hat in New York an der Journalism School der Colombia University studiert und war mehrere Jahre lang für die Süddeutsche Zeitung als Amerika-Korrespondent tätig. Während seines insgesamt siebenjährigen Aufent-halts in den USA stellte er fest, dass dort das Recht einen weitaus höheren Stellenwert einnimmt als in Europa. In den USA würden die Menschen auf der Straße über Gerichtsprozesse reden wie in Deutschland über Fußball, sagte Schuler in seinem Vortrag. Außerdem hätte die amerikanische Bevölkerung eine weitaus

größere Rechtsgläubigkeit als die europäische. Der Glaube an das Recht sei die wichtigste Religion in den USA geworden.

Aber das Recht sei von Anfang an das Recht der weißen Siedler gewesen. Noch heute würden Studien belegen, dass schwarze Angeklagte im Vergleich zu weißen vor Gericht erheblich benachteiligt würden.

Nach dem 11. September 2001 habe die Bush-Regierung ein paralleles Rechtssystem eingeführt. Demnach könne jemand, ohne einen Anwalt zu sehen, auf unbestimmte Zeit festgesetzt werden, wenn er jemanden kenne, der unter Terrorismus-Verdacht stünde. So wird die Freiheit auf dem Altar der Sicherheit geopfert.

Ein weiteres Thema des Vortrags war die Macht der Anwälte. Die meisten Anwälte in den USA seien business lawyers, Anwälte, die große Unternehmen vertreten. Sie arbeiteten in großen Kanzleien und sicherten und mehrten den Reichtum der Reichen. Dabei stellen die Anwälte nicht nur die Berufsgruppe dar, die mit Abstand am meisten Geld verdient: Sie haben auch einen großen Einfluss auf die Politik. Immerhin waren 26 der ersten 42 Präsidenten Anwälte, weiß Schuler. Bei der Bevölkerung mischt sich deswegen die Rechtsgläubigkeit mit großer Skepsis gegenüber Anwälten.

Dem Vortrag folgte eine etwa zwanzigminütige Diskussion. "Es ist so ein weites Feld, was alles gefragt wird", so Schuler in einem Interview nach der Veranstaltung. "Ich wurde das letzte Mal gefragt, was ich denn sagen würde, wo nächste Woche der Dollar stehen wird."

Schuler hatte bereits mehrere Vorträge an Deutsch-Amerikanischen Instituten in anderen Städten gehalten. "Manche Leute haben gesagt, ich würde Vorträge halten bei den Feinden, über die ich schreibe", so Schuler. Aber zum einen würden die Amerika-Häuser von Deutschen geleitet werden, zum anderen hätten ihm auch schon Amerikaner gesagt, dass sie seine kritischen Ansichten teilten.


Kontakt: mail(at)matthias-franz(punkt)de
 
 

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